Rückblende

Rückblende Friedhof
Einige habe sich sicherlich schon über die alten Steine gewundert, die derzeit gegenüber der alten Schule auf dem Rasen an der Kirche liegen. Ans Tageslicht sind sie bei den aktuellen Arbeiten um die Kirche gekommen.
Die älteren Wertherbrucher erinnern sich noch an den früheren Wertherbrucher Friedhof. Über diesen schrieb Heinz Neulinger innerhalb eines Berichts über die Renovierung der Wertherbrucher Kirche für den „Heimatkalender Landkreis Rees 1963“:

„KIRCHE ERHÄLT WÜRDIGEN RAHMEN
Im Frühjahr 1961 begann die Gemeinde, den Kirchplatz zu verschönern. Der Plan stand schon lange fest, über das Wie war man allerdings noch nicht einig. Neben beträchtlichen finanziellen Aufwendungen standen auch noch andere Hindernisse im Wege. Rund um die Kirche befand sich der Friedhof der Gemeinde, der bis 1920 benutzt wurde. Teilweise wurden auch noch später Beisetzungen auf ihm vorgenommen, wenn es sich um Familiengräber handelte. Die meisten Gräber allerdings waren alt und mußten von der Gemeinde gepflegt werden.
Das Presbyterium unter Vorsitz von Pfarrer Thölke hatte lange beraten, ehe man zu dem Entschluß kam, den alten Friedhof einzuebnen, um dadurch eine würdige Umgebung der Kirche zu schaffen. Rückfragen bei den Gemeindegliedern, die hier ihre Vorfahren bestattet hatten, waren nötig. Ohne Ausnahme willigte die Gemeinde ein. …“

Lange Jahre war so nur noch der Grabstein der Pfarrerfamilie Büchter als Erinnerung an den alten Friedhof um die Kirche erhalten. Ein Foto dazu befindet sich in dem Fotobuch „Alte Herrlichkeit Wertherbruch Bewahrt vor dem Vergessen“, S. 121.

beerdigung_frau_buechter Dort ist auch Nachzulesen, dass sich die anderen Grabstellen des Friedhofs auf der Nordseite befanden und nur die Büchter-Gruft auf der Südseite. Einen kleinen Eindruck vom Friedhof bietet die Fotos S. 119 und 120, jeweils unten, im gleichen Buch. Die Anlage der bis etwa 1920 auf Rodehorst ansässigen Familie Hermanni (siehe ebenda S. 118 f) war sicherlich für Wertherbruch untypisch.
Fotos der Gesamtanlage sind mir nicht bekannt, auch kein Friedhofsplan. Unter dem „Titel III Abt. 3 Nr. 5 Kirchhof“ haben sich einige Akten im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Wertherbruch erhalten (nachzulesen in „Mitteilungen aus dem Schlossarchiv Diersfordt und vom Niederrhein Beiheft XX, Wesel 2003, S. 232).

Der Grabstein der Familie Pries, der auf der anderen Seite nahe beim Eingang lose steht, ist erst vor einigen Jahren wieder zurückgekommen. In der Wiese von van Drünen am Turmeingang waren immer noch einige Sockel zu sehen. Einige Grabsteine sind bei der Einebnung der Anlage von den Angehörigen nach Hause genommen worden, andere in der Erde verschwunden.

Es ist eine ältere Idee, vielleicht mit einem Gedenkstein und wenigen alten Grabsteinen an den jahrhundertealten Friedhof zu erinnern. Der nunmehr gefundene Grabstein der Familie Rinck ist älter als die anderen mir gegenwärtig bekannten Steine. Bei näherer Betrachtung sieht man, dass es sich um eher schlichte Steinen handelt, aber immerhin um Zeugen unserer früheren Grabkultur, die eigentlich schon verloren waren.

In früherer Zeit wurde auch in der Kirche bestattet. Bei der letzten großen Kirchenrenovierung im vergangenen Jahrzehnt fanden sich diverse menschliche Knochen. Anläßlich der Renovierung wurde eine alte Gruft im Chor entdeckt und wieder hergerichtet. Das älteste Kirchenbuch der Wertherbrucher Kirchengemeinde dokumentiert noch einige Bestattungen in der Kirche, die sich allerdings auf „wichtigere Personen“ aus den Pfarrer- und Lehrerfamilien beschränken. Nachzulesen sind diese im Beerdigungsregister in „Mitteilungen aus dem Schlossarchiv Diersfordt und vom Niederrhein Beiheft XX,“ Wesel 2003, S. 244 ff. So wurde noch am 3. März 1810 der hiesige Schullehrer Gerhard Bolte „in der Kirche hierselbst“ beigesetzt.

Ein sehr alter Hinweis zu Bestattungen findet sich in einem Kaufvertrag über das Gut Rodehorst vom 24. Februar 1565. An diesem Tag übertrugen Rodolff/Roeleff van Wittenhorst und seine Frau My van Haersolte (?) an Wolter van Sevenaer und seine Frau den alten Familienbesitz. Unter den neben dem freien adeligen Gut noch verkauften Zubehör fällt noch besonders „der Verkoeperen Banck sampt Begreffnis in der Werderbroikische Kercke“ auf. Man kann darauf ersehen, daß schon seit langer Zeit mit Rodehorst ein besonderer Sitz und ein Begräbnisplatz in der Kirche verbunden waren. (NW StA Münster; Herrschaft Werth, Akte Nr. 207).

Noch älter ist eine Notiz, die im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 1436 steht. „…; ende daer omme eyn perd gekoft, daer hie up reed, dat oen gestalen wart up den kerchave in Weerderbrueck des nachts; …“. Dieser Pferdediebstahl auf dem Kirchhof in Wertherbruch ist notiert in „Regesten zur politischen Geschichte des Niederrheins I Stadtrechnungen von Wesel, bearbeitet von Friedrich Gorissen, 4. Band, 1426 – 1450, Bonn 1963; S. 160.

„Verschönerung des hiesigen Gottesackers betreffend“ ist ein Vermerk überschrieben, den der Wertherbrucher Pfarrer 1834 im Protokollbuch zwischen den Protokollen vom 20. April und 24. Mai 1834 niederlegte. „Es war ein dringendess Bedürfniß den hiesigen Gottesacker zu verschönern. Derselbe war seit mehreren Jahren Viehweide des Schullehrers Stuckenholz, welcher nicht nur seine Kühe, sondern auch noch Kühe von andern Leuten darauf weiden ließ. Es geschah denn auch zu dieser Zeit, daß ein Grabhügel durch eine Kuh gänzlich zerstört wurde, überhaupt wurde darauf so viel Anstößiges herbeigeführt, …“.
Aus dem Schriftstück ergibt sich, dass es einige Schwierigkeiten bei der Organisation und Durchführung gab. Über diese Dinge und die Beschreibung soll später an anderer Stelle berichtet werden. Pfarrer Haastert schließt wie folgt: „Gegenwärtig, wo der Kirchhof planirt und die Wege ausgestochen und besandet sind hat jederman Wohlgefallen an der Arbeit und freut sich daß sie geschehen ist.“

Rückblende Pfarrerwahl
(9. August 2005) Am heutigen Dienstag wählten die Presbyterien aus Blumenkamp, Hamminkeln und Wertherbruch in einem Wahlgottesdienst in der Wertherbrucher Kirche Dagmar Hörnchen-Schmitt und Udo Schmitt für die Pfarrstelle in Wertherbruch mit Betreuung des Bezirks Blumenkamp.

Nach außen möglicherweise eine Formalie, aber auch ein Anlaß, zurück zu blicken, da die Bestimmung des Geistlichen für unser Dorf früher häufig ein Streitpunkt war.
Schon 1321, kurz nach dem 1296 Herrn Heinrich von der Lecke die Erlaubnis zur Urbarmachung des Bruches erteilt worden war, wurde in einem Vergleich festgehalten, dass der Sohn und Nachfolger Herr Peter von der Lecke ein Vorschlagsrecht für die Pfarrerwahl haben sollte. Die Entscheidung behielten sich Dekan und Kapitel des Stifts Rees vor.
In den folgenden Jahrhunderten finden sich immer wieder Urkunden, in denen die Nachfolger der Herrn von der Lecke, nämlich die Herren von Culemborg sich in der traditionellen Weise um die Pfarrerbestellung kümmerten.
Ab 1566 setzte sich hier zu Zeiten von Graf Floris von Pallandt-Culemborg, wohl auch maßgeblich durch ihn als Herrn der aus Werth und Wertherbruch bestehenden Herrschaft Werth, die Reformation durch. Natürlich kam eine Verständigung mit der katholischen Geistlichkeit über einen geeigneten Pfarrer nicht mehr in Betracht. Dem Grafen und seinen Nachfolgern erwuchs jedoch in der Weseler Klasse, dem Zusammenschluß der reformierten Gemeinden in unserer Umgebung, ein starker „Partner“, der sich bemühte, gegebenenfalls auch im Streit mit dem Herrn der Herrlichkeit Wertherbruch, bei der Pfarrerbestimmung mitzubestimmen.
Richtig streitig wurde diese Frage kurz nach 1740, als es galt, einen Nachfolger für Gerhard Copius zu finden, der hier die Stelle seit 1695 innegehabt hatte. Man einigte sich schließlich, dass die Gemeinde unter der Leitung der Weseler Klasse drei Kandidaten auswählen sollte, unter denen der Graf von Wartensleben als seinerzeitiger Nachfolger der Grafen von Culemborg einen bestimmen durfte. Aus diesem Verfahren ging schließlich Johann Mauritz Goldbach hervor, der sodann für etliche Jahre die Pfarrstelle verwaltete.
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein, hielt sich diese Praxis, nach der auch noch Wilhelm August Fuchs um 1840 in sein Amt kam. Später wehrte sich die Gemeinde auf dem Prozeßweg gegen die weitere Einflußnahme durch die Rechtsnachfolger der Grafen von Wartensleben.
Wenn heute noch Presbyter als gewählte Vertreter unseren Pfarrer wählen, steckt dahinter eine jahrhundertelange Entwicklung und Tradition.

Ich habe in diesem Beitrag die Entwicklung nur sehr grob dargestellt. Mehr dazu findet man in dem Buch „Alte Herrlichkeit Wertherbruch“; Haldern 1996 in dem Abschnitt: Heinz Weyer, Aus der Geschichte der Herrlichkeit Wertherbruch“.
Weil das Thema da nicht abschließend behandelt wurde, soll zu gegebener Zeit noch mehr zu Wertherbruch und der Kirchengeschichte des Dorfes, zur Reformation, den Pfarrern usw. veröffentlicht werden.

Rückblende Kriegsende: Stichtag 24. März 1945
Das Kriegsende am Niederrhein vor nunmehr 70 Jahren nimmt in den lokalen Medien derzeit breiten Raum ein.

Das Geschehen in Wertherbruch in jener Zeit hat Martin Berning in seinem Beitrag „Von der französischen Herrschaft bis heute“ in dem 1996 erschienenen Buch „Alte Herrlichkeit Wertherbruch“ , Seite 200 ff dargestellt. Behilflich waren ihm dabei vor allem die Erinnerungen von Karl Böing. Das Buch, 1996 in zwei Auflagen mit insgesamt 1000 Exemplaren herausgegeben, ist inzwischen vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

Der Beitrag von Martin soll im folgenden auszugsweise vorgestellt werden; dabei geht es hier vor allem um das örtliche Geschehen. Die große Linie wird derzeit anderweitig ausführlich beschrieben:

„Mit der Überquerung des Rheins durch die Alliierten am 24. März 1945 und den Folgetagen erlebten die Wertherbrucher den Krieg hautnah mit, gleichzeitig ging er für sie zu Ende.
Karl Böing schreibt dazu:
„Dieser Tag bleibt allen, die diese Zeit erlebt haben, unvergessen. Es begann schon am Vortag: Die Alliierten setzten zum Rheinübergang an. Auftakt am späten Nachmittag war ein Artilleriedauerbeschuß ungeheuren Ausmaßes, der auch die ganze Nacht fortdauerte. An dem Beschuß auf den Raum Diersfordt-Rees-Haldern-Wertherbruch (16 km Frontabschnitt zwischen Diersfordt und Rees) und Umgebung beteiligten sich 1330 Geschütze. Etwa 10.000 Einwohner haben den Rheinübergang am linken Ufer hautnah erlebt. Etwa 400.000 waren vorher evakuiert worden oder geflüchtet. Alle hiesigen Hausbesitzer mußten Evakuierte, Ausgebombte oder Flüchtlinge, sei es aus der näheren Umgebung wie Wesel, Rees, Bocholt, Emmerich, dem Kreis Kleve und zahlreiche Familienangehörige oder Verwandte, die aus den Ostfrontgebieten zurückkamen, aufnehmen.
Am Samstag, dem 24. März 1945, folgten Großeinsätze der feindlichen Luftwaffe auf das nähere rechtsrheinische Gebiet. Zum Angriff auf Wertherbruch hatten mehr als ein Dutzend viermotorige Bomber angesetzt. Dreimal kreisten sie zum Bombenabwurf. Rund um den Ortskern und Richtung Kreuzweg lag Krater an Krater.

Nach dem Bombardement gegen 10.00 Uhr entstand aus strahlendem Sonnenschein plötzlicher dichter, unheimlicher Nebel. … Feindliche Nebelgranaten hatten diesen Sichtschutz auf das gesamte rechtsrheinische Gebiet ausgebreitet. … Die Hauptkampflinie lag jetzt am Rhein zwischen Voerde und Rees. Um ein Zurückfluten der Verteidiger zu verhindern, wimmelte es nach dem Bombeninferno in Wertherbruch nur so von Militärpolizei. …“
Wertherbruch hatte das große Glück, von direkten Gefechten verschont zu bleiben, während Nachbarorte wie Loikum, Töven, Mehrhoog, Groin, Bienen schwer umkämpft waren und teilweise öfter den Besitzer wechselten. Um den Vormarsch zu stoppen, wurden angeblich strategische Punkte wie Straßenkreuzungen, z. B. bei Karl Krienen, Straßenbrücken über die Issel, Lander und Landwehr aber auch einfache Grabenbrücken gesprengt sowie Straßenbäume zum Kappen vorbereitet, indem sie angesägt und eingekerbt wurden. Diese Sprengungen erzeugten gr0ße Schäden, bildeten jedoch für den Angreifer kein Hindernis. …
Zu den letzten Maßnahmen gehörte der Viehabtrieb aus dem Ort; denn das Vieh sollte gemäß dem Leitsatz der „verbrannten Erde“ nicht in die Hände der Sieger fallen. …
Am Montag, 26. März, wollten sich noch einige Trupps auf verschiedenen Höfen festsetzen. Manche Gruppenführer, die von den Bewohnern gebeten wurden, davon Abstand zu nehmen, setzten den Zivilisten die Pistole auf die Brust, und damit war die Diskussion sofort beendet. …
Am Dienstag war der Spuk vorbei. Die letzten Häuflein zogen im Schutz der Bäume neben den Gräben Richtung Issel. Wertherbruch wurde von den Alliierten liegengelassen und umgangen. Die Ortsmitte wurde erst am Donnerstag, den 29. März, besetzt. Am Kreuzweg waren die alliierten Truppen schon zwei Tage vorher einmarschiert. Man konnte vom Dorf aus das Dröhnen und Knirschen der Panzerketten hören. Endlose Marschkolonnen bewegten sich auf der B 67 Richtung Münsterland. Zurückkamen Fahrzeuge vollgestopft mit gefangenen deutschen Landsern. Als am Gründonnerstag die ersten „Tommys“ mit ihren Jeeps aufkreuzten, verlangten sie Jagdwaffen und Uhren. Am Karfreitag kam die schottische Einquartierung. Die Häuser am Ortseingang ab Kaiser/Berning mußten geräumt werden. Auf die Frage an den Dolmetscher des Quartiermachers, wo wir denn hin sollten, bekamen wir zur Antwort „hinter die Kirche“. Nach einigen Tagen konnte man aber wieder in die Wohnungen zurückkehren. Die Besatzer benötigten nur einzelne Zimmer, während der Räumung durfte das Viehmorgens und abends versorgt werden.

In den letzten Kriegstagen mußten noch viele Zivilisten ihr Leben lassen oder wurden verletzt. Tödliche Verletzungen erlitten Heinrich Heikapell, Willi Becks und zahlreiche Soldaten. Unter den vielen Schwerverletzten befanden sich u. a. Luise Lensing; sie verlor ein Bein; Alfred Katemann wurde ein Arm amputiert. Auch Gesine Becks, Mutter des getöteten Willi Becks, erlitt sehr schwere Verletzungen. Es waren viele, die zum Hauptverbandsplatz auf Gut Rodehorst transportiert wurden, auch aus dem Kampfgebiet. ….

Durch direkten Beschuß auch mit Phosphorgranaten und Bombentreffer wurden total zerstört:
Am 16. März 1945 das Hinterhaus der Witwe Neu, heute Helmut Neu, am 21. März 1945 Vorder- u. Hinterhaus Josef Legeland, am 24. März 1945 das Gehöft Hermann Westerhoff, heute Remmelink-Siemen, am 24. März 1945 das vermietete Wohn- u. Hinterhaus v. Hermann Berning, heute Somsen, am 25. u. 26. März 1945 das Vorder- u. Hinterhaus u. Scheune Wilhelm Hasenkamp und am 26. März das Vorderhaus der Witwe Neu, das beim Brand des Hinterhauses am 16. März von der Feuerwehr gerettet werden konnte, durch Sprengung der Straße. Durch die Explosion wurde auch das Krienen-Neu arg in Mitleidenschaft gezogen.
Nachdem das Schlimmste überstanden war, kehrten auch die Bewohner, die Zuflucht bei Verwandten und Bekannten außerhalb des Ortskerns gesucht hatten, in ihre Behausungen zurück.“

Gussstahlglocken: Stichtag 15. Oktober 1854

Besteigt man den Turm unserer alten Dorfkirche, findet man im Glockenjoch der größten der drei Glocken eine alte Inschrift eingekerbt:
„HERN · PASTOR · FUCHS ·
KIRCHMEISTER · B: KREBING · UND · G: HASENKAMP ·
ARMENRESEDANTEN · G: BERNING · UND · D: LENSING ·
?LTESTEN · H: BERNING · H: FILG/C (?)HEN · W: WEIER · 1854
· UND · W: KATEMAN · DEN 15 OCT“
Heute vor 150 Jahren am 15. Oktober 1854 war ein Sonntag.
Zwar fehlt bislang jeder Nachweis, aber warum soll es sich nicht um das Datum der offiziellen Indienstnahme des neuen Geläuts handeln? Belegt ist, dass sich das Genehmigungsverfahren zur Beschaffung der drei Gussstahlglocken für die Wertherbrucher Kirche bis in den Sommer des Jahres 1854 (mindestens 21. Juni) hinzog. Auf der Rückseite findet sich folgende Inschrift:
„ZIMERMAN · L: PELZER
SOHN · D: PELZER“
So sind denn die Namen der kirchlich Verantwortlichen und die der Wertherbrucher Handwerker, die die erforderlichen Holzarbeiten vornahmen, verewigt.
Vor nunmehr gut 150 Jahren hatte sich die Notwendigkeit ergeben, etwas für das Geläut in der Kirche zu tun, da die größere der beiden bronzenen Glocken gesprungen und „so das Geläute gänzlich verdorben“. Man war in Wertherbruch u. a. durch Pressenachrichten auf eine technische Neuheit aufmerksam geworden. Die Gussstahlglocken der Herren Mayer & Kühne in Bochum. Für die Gemeinde überzeugte sich der langjährige Pfarrer des Ortes Wilhelm August Fuchs (1840 – 1883) in Bochum. Dieser befand den Klang der Gußstahlglocken „als nicht minder gut, ja voller und heller, als den der der Bronzenen“. Am 27. Februar 1854 versammelten sich das Presbyterium um Pfarrer Fuchs und die Wertherbrucher Repräsentanten. Einstimmig wurde laut Protokoll der Sitzung beschlossen, mittels eines Tauschhandels für die bronzenen Glocken ein Stahlgussgeläut zu erwerben. Nachdem das Genehmigungsverfahren einen Tausch der vorhandenen Bronzeglocken gegen die Gussstahlglocken zuließ, konnte die Anschaffung der drei neuen Glocken durchgeführt werden. I

Nach dem von Pfarrer Rolf Schäfer verfassten Informationsblatt „EVANGELISCHE KIRCHE WERTHERBRUCH VON A – Z“ haben die drei Glocken aus Stahlguss mit Kronen folgende Maße: Kleine Glocke Ø 73 cm, Schlagton es, 180 kg, Mittlere Glocke Ø 89 cm, Schlagton c, 280 kg und Große Glocke Ø 112 cm, Schlagton as, 580 kg.

In der Beschreibung einer Akte aus dem Kirchenarchiv „Ergebnis der Glockenbesichtigung, ohne Jahr“ ist die Höhe der Glocken mit 0,58, 0,7 bzw. 0,88 Meter angegeben. II

Die mittlere und die große Glocke tragen als Inschrift jeweils die Jahreszahl * 1854 * und folgenden Text: „GUSSSTAHLFABRIK VON MAYER & KÜHNE BEI BOCHUM“.

Bei der vorletzten offiziellen Messung durch den Glockensachverständigen des Landeskonservators und der ev. Kirche von Westfalen ergab sich 1992 eine positive Bewertung des Klanges, die der älteren häufiger geäußerten pauschalen Kritik an Stahlgussglocken im Vergleich zu Bronzeglocken entgegen steht: „Angenehme weiche Tongebung trotz relativ kurzer Resonanz“.

Am 21. Januar 2004 nahm der Glockensachverständige der Evangelischen Kirche im Rheinland unser Geläut in Augenschein. Dieser stellt u. a. fest, dass die Glocken „ohne Frage als wertvolles historisches Zeugnis zu werten“ seien und einen hoch anzusetzenden Denkmalwert haben. Zwar sei die Tragfähigkeit des Klangs recht eingeschränkt, andererseits wird festgestellt: „Positiv bemerkbar machen sich die Aufhängung an geraden Holzjochen und die akustisch gut gestaltete Glockenstube. Das Klangbild der Einzelglocken stellt sich deshalb als ausgesprochen mild bis weich dar.“
Sebastian Schritt, Trier, der über die Glocken des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation in Bochum forscht, hat in Deutschland nur drei ältere Geläute und zwar aus 1853 ermitteln können. Zwei weitere stammen neben Wertherbruch aus 1854. Nach seiner Recherche könnten die ersten Stahlgussglocken der Firma Mayer & Kühne 1851 entstanden sein. III Zusammenfassend bescheinigt er dem original mit Jochen erhaltenen Geläute in der Evangelichen Kirche zu Wertherbruch „höchsten Denkmalwert“.

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I NW HStA Düsseldorf; Regierung Düsseldorf; Nr. 21555
II Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Wertherbruch; Titel B Abt. 3 Nr. 4
III Sebastian Schritt: 150 Jahre Gußstahlgeläute in der Evangelischen Kirche zu Wertherbruch, Trier 2004